ELEMENTE
EINER
LANDSCHAFT
Essayfilm von Barbara Juch & Laura Nitsch
Wien, 2018
English, HD,16:9, b/w and color, 38'
Performances: Sheri Avraham, Barbara Juch
Kamera: Laura Nitsch, İpek Hamzaoğlu
Schnitt: Barbara Juch, Laura Nitsch
Music: Barbara Juch, Simon Trummer
„Elemente einer Landschaft“ von Barbara Juch und Laura Nitsch evoziert eine historisch gewichtige, atmosphärisch dichte und von zahlreichen Narrationen gesättigte Topographie, ohne sie je als vollständige Konstellation zu zeigen. Der Film zerlegt den Semmering, diese traditionelle Sommerfrische eines kulturell aufgeschlossenen, ja intellektuellen Wiener Bürgertums in seine Bestandteile.
Zu diesen zählen die berühmten Hotels und die zu patriotischen wie mondänen Erzählungen anregende Berglandschaft, die Poesie einiger bezeichnender oder überraschender Lebensläufe, die aktuellen Anstrengungen, das Ausbleiben von Touristen in der Gegenwart zu kompensieren, das prekäre Arbeiten in der Tourismus-Industrie und das Zittern der Erhabenheitsästhetik zwischen Pathos und Psychedelia. Doch wo das großbürgerliche Wien das Wechselspiel von Panorama und Abgrund zur Erhöhung subjektiver Intensität einsetzte, wird es hier aufgefaltet in seine Komponenten aus Ökonomie, Geschichte, Ästhetik.
Dennoch geht der Film, der, wie sein Bruder am anderen Ende der Budgetskala, „The Shining“, mit einer Autofahrt an den verwunschenen Ort beginnt, auch nicht in seinen analytischen Intentionen und Angeboten auf: die Autorinnen stehen gewissermaßen mitten in der Landschaft. Ihre Perspektive des Sezierens und der Verweigerung der Überblicke, ja zuweilen auch ihr Entzug fundamentaler Bestandteile eines Films, Bild oder Ton, ist dennoch nicht einfach die eines kühlen Durchblicks. Gerade wer die Mittel einsetzt, die analytisch einen guten Ruf haben, ist noch lange nicht gefeit gegen Faszination und Verzauberung. Nur wer der Magic des Magic Mountains zu erliegen versteht, kann sie auch analytisch verstehen.
Schließlich fragt der Film, was das eigentlich für eine Operation ist, mit der wir einen heterogenen Bedeutungs-Komplex, zusammengesetzt aus Naturgegebenheiten und deren kultureller Überformung, einen Namen geben und erwarten, dass er verlässlich etwas ist und bleibt, auf das man sich nicht nur in der Rede beziehen kann, sondern wohin man reisen kann und ihn dann auch vorfinden. Barbara Juch und Laura Nitsch haben nachgeschaut, was da ist. Sie haben aufgezählt, angehäuft, gestrichen, verborgen, vervielfacht, vergessen und wiedergefunden. Der Möglichkeit einer landschaftlich-kulturellen Konstante – wie sie der Heimatbegriff suggeriert – treten sie dabei ebenso entschieden entgegen wie sie den Umstand zelebrieren, dass nach dem Abtragen solcher Begriffe, nicht nichts ist, sondern vielmehr ein Reichtum an Beschreibungs- und Darstellungsmöglichkeiten.
Diederich Diederichsen
ELEMENTE
EINER
LANDSCHAFT
Essayfilm von Barbara Juch & Laura Nitsch
Wien, 2018
English, HD,16:9, b/w and color, 38'
Performances: Sheri Avraham, Barbara Juch
Kamera: Laura Nitsch, İpek Hamzaoğlu
Schnitt: Barbara Juch, Laura Nitsch
Music: Barbara Juch, Simon Trummer
„Elemente einer Landschaft“ von Barbara Juch und Laura Nitsch evoziert eine historisch gewichtige, atmosphärisch dichte und von zahlreichen Narrationen gesättigte Topographie, ohne sie je als vollständige Konstellation zu zeigen. Der Film zerlegt den Semmering, diese traditionelle Sommerfrische eines kulturell aufgeschlossenen, ja intellektuellen Wiener Bürgertums in seine Bestandteile.
Zu diesen zählen die berühmten Hotels und die zu patriotischen wie mondänen Erzählungen anregende Berglandschaft, die Poesie einiger bezeichnender oder überraschender Lebensläufe, die aktuellen Anstrengungen, das Ausbleiben von Touristen in der Gegenwart zu kompensieren, das prekäre Arbeiten in der Tourismus-Industrie und das Zittern der Erhabenheitsästhetik zwischen Pathos und Psychedelia. Doch wo das großbürgerliche Wien das Wechselspiel von Panorama und Abgrund zur Erhöhung subjektiver Intensität einsetzte, wird es hier aufgefaltet in seine Komponenten aus Ökonomie, Geschichte, Ästhetik.
Dennoch geht der Film, der, wie sein Bruder am anderen Ende der Budgetskala, „The Shining“, mit einer Autofahrt an den verwunschenen Ort beginnt, auch nicht in seinen analytischen Intentionen und Angeboten auf: die Autorinnen stehen gewissermaßen mitten in der Landschaft. Ihre Perspektive des Sezierens und der Verweigerung der Überblicke, ja zuweilen auch ihr Entzug fundamentaler Bestandteile eines Films, Bild oder Ton, ist dennoch nicht einfach die eines kühlen Durchblicks. Gerade wer die Mittel einsetzt, die analytisch einen guten Ruf haben, ist noch lange nicht gefeit gegen Faszination und Verzauberung. Nur wer der Magic des Magic Mountains zu erliegen versteht, kann sie auch analytisch verstehen.
Schließlich fragt der Film, was das eigentlich für eine Operation ist, mit der wir einen heterogenen Bedeutungs-Komplex, zusammengesetzt aus Naturgegebenheiten und deren kultureller Überformung, einen Namen geben und erwarten, dass er verlässlich etwas ist und bleibt, auf das man sich nicht nur in der Rede beziehen kann, sondern wohin man reisen kann und ihn dann auch vorfinden. Barbara Juch und Laura Nitsch haben nachgeschaut, was da ist. Sie haben aufgezählt, angehäuft, gestrichen, verborgen, vervielfacht, vergessen und wiedergefunden. Der Möglichkeit einer landschaftlich-kulturellen Konstante – wie sie der Heimatbegriff suggeriert – treten sie dabei ebenso entschieden entgegen wie sie den Umstand zelebrieren, dass nach dem Abtragen solcher Begriffe, nicht nichts ist, sondern vielmehr ein Reichtum an Beschreibungs- und Darstellungsmöglichkeiten.
Diederich Diederichsen