GLAUBE
LIEBE
HOFFNUNG
Lecture Performance von Barbara Juch & Laura Nitsch
Semperdepot Wien, 2019
Musik: Katrin Euller
Photographie: Sophie Thun
Performance Skript basierend auf der gemeinsam geschriebenen Masterarbeit
GLAUBE LIEBE HOFFNUNG.
soziale topologien neu verorten.
Akademie der bildenden Künste Wien,
MA in Critical Studies, 2018.
Zu studieren, ohne dabei ganz spezifische Werte eines Hochschulhabitus’ anzunehmen wird gerne als anstandslos interpretiert. Alles um dich herum suggeriert dir: Du hast Glück gehabt, dass du hier sein darfst, nutze deine Chance. Mit dieser Chance, deinem Eintritt in die Universität wirst du aber auch in einer spezifischen Zeitlichkeit verankert, die dir Entwicklung suggeriert. Du sollst deine Vergangenheit, ihre Menschen und Affekte hinter dir lassen, dich der Gegenwart annehmen und in eine bessere Zukunft voranschreiten. Unseren Jargon und Dialekt zu verlieren, vergibt uns gute Noten. Wir lieben die Lehrerin und wir wollen ihre Liebe, wir fangen an uns anzupassen, weil wir darin Anerkennung erlangen. Und auch unsere Familie ist stolz auf uns und unseren Erfolg. Yes, at that point, we hope for a better future. Wir verlassen unsere Familien, denn „Dorf“ und „Universität“ liegen weit auseinander. Und wenn wir nach Hause fahren, dann haben wir die Akademie nicht nur im Gepäck, sondern sie ist uns eingefahren. Unsere Gesten, unser Ausdruck, unsere ganze Wahrnehmung ist durchzogen, immer mehr mit jedem Jahr. Wenn wir den Begriff des „sozialen Aufstiegs“ ablehnen und dafür von Anpassung und Passing schreiben wollen; wenn wir die Ideologie, dass wir halt einfach ›besonders‹ waren und deswegen landeten, wo wir sind, attackieren wollen, dann geht dies nicht, ohne uns mit unserer eigenen Normativität auseinanderzusetzen. Gerade weil unsere Bildungsbiographie statistisch gesehen sehr unwahrscheinlich, aber eben nicht unmöglich, sind, müssen wir diesen Unterschied genau untersuchen, um uns nicht dem ›statistischen Wunder‹ hinzugeben.
Was sich im Ausbildungssystem, vor allem im künstlerischen Ausbildungsbereich, beharrlich hält, und in Zeiten wachsender Selektions- und Ausgrenzungsmechanismen vehementer greift, sind Begriffe wie ›Talent‹ und ›Begabung‹, die den Erfolg (oder Nicht-Erfolg) eines jeden erklären sollen, und als Grundpfeiler des meritokratischen Prinzips wirken. Die Vorstellung mit ›Talent‹ und ›Begabung‹ würden sich individuelle Möglichkeitsräume eröffnen, die die soziale Determiniertheit überkommen könnten, basiert auf einer unhinterfragten Naturalisierung dieser Zuschreibungen als etwas, dass sich außerhalb des Klassengefüges (quasi qua Geburt) bilden und erhalten könne, und dann in der Aufnahmeprüfung von den Dozent*innen entdeckt wird. Wir machen uns zu Kompliz*innen dieser Logik, wenn wir uns mit derlei Begriffen identifizieren. Talent? Kenn ich; ist eine Geldeinheit.
GLAUBE
LIEBE
HOFFNUNG
Lecture Performance von Barbara Juch & Laura Nitsch
Semperdepot Wien, 2019
Musik: Katrin Euller
Photographie: Sophie Thun
Performance Skript basierend auf der gemeinsam geschriebenen Masterarbeit
GLAUBE LIEBE HOFFNUNG.
soziale topologien neu verorten.
Akademie der bildenden Künste Wien,
MA in Critical Studies, 2018.
Zu studieren, ohne dabei ganz spezifische Werte eines Hochschulhabitus’ anzunehmen wird gerne als anstandslos interpretiert. Alles um dich herum suggeriert dir: Du hast Glück gehabt, dass du hier sein darfst, nutze deine Chance. Mit dieser Chance, deinem Eintritt in die Universität wirst du aber auch in einer spezifischen Zeitlichkeit verankert, die dir Entwicklung suggeriert. Du sollst deine Vergangenheit, ihre Menschen und Affekte hinter dir lassen, dich der Gegenwart annehmen und in eine bessere Zukunft voranschreiten. Unseren Jargon und Dialekt zu verlieren, vergibt uns gute Noten. Wir lieben die Lehrerin und wir wollen ihre Liebe, wir fangen an uns anzupassen, weil wir darin Anerkennung erlangen. Und auch unsere Familie ist stolz auf uns und unseren Erfolg. Yes, at that point, we hope for a better future. Wir verlassen unsere Familien, denn „Dorf“ und „Universität“ liegen weit auseinander. Und wenn wir nach Hause fahren, dann haben wir die Akademie nicht nur im Gepäck, sondern sie ist uns eingefahren. Unsere Gesten, unser Ausdruck, unsere ganze Wahrnehmung ist durchzogen, immer mehr mit jedem Jahr. Wenn wir den Begriff des „sozialen Aufstiegs“ ablehnen und dafür von Anpassung und Passing schreiben wollen; wenn wir die Ideologie, dass wir halt einfach ›besonders‹ waren und deswegen landeten, wo wir sind, attackieren wollen, dann geht dies nicht, ohne uns mit unserer eigenen Normativität auseinanderzusetzen. Gerade weil unsere Bildungsbiographie statistisch gesehen sehr unwahrscheinlich, aber eben nicht unmöglich, sind, müssen wir diesen Unterschied genau untersuchen, um uns nicht dem ›statistischen Wunder‹ hinzugeben.
Was sich im Ausbildungssystem, vor allem im künstlerischen Ausbildungsbereich, beharrlich hält, und in Zeiten wachsender Selektions- und Ausgrenzungsmechanismen vehementer greift, sind Begriffe wie ›Talent‹ und ›Begabung‹, die den Erfolg (oder Nicht-Erfolg) eines jeden erklären sollen, und als Grundpfeiler des meritokratischen Prinzips wirken. Die Vorstellung mit ›Talent‹ und ›Begabung‹ würden sich individuelle Möglichkeitsräume eröffnen, die die soziale Determiniertheit überkommen könnten, basiert auf einer unhinterfragten Naturalisierung dieser Zuschreibungen als etwas, dass sich außerhalb des Klassengefüges (quasi qua Geburt) bilden und erhalten könne, und dann in der Aufnahmeprüfung von den Dozent*innen entdeckt wird. Wir machen uns zu Kompliz*innen dieser Logik, wenn wir uns mit derlei Begriffen identifizieren. Talent? Kenn ich; ist eine Geldeinheit.